Einen Tag nachdem wir beim Platypus Reserve in Bombala waren, nahmen wir uns vor den höchsten Berg Australiens, den Mount Kosciuszko, zu besteigen. Wir waren motiviert bis in die Haarspitzen, denn die Wanderung zum Gipfel war mal wieder eine größere Herausforderung für uns. Uns erwartete eine 18 Kilometer Wanderung mit schwierigen Bedingungen, aber dazu später mehr. Der Gipfelaufstieg als Aufgabe war etwas sehr besonderes für uns, weil wir uns sowas früher nie gewagt hätten und in Australien gehen wir an unsere Grenzen und wachsen mit jeder Herausforderung.
Nach einem ordentlichen Frühstück und der Fahrt, stand der große Gipfelweg vor uns. Bereits auf der Fahrt fiel uns auf, dass die Berge mit zuckerweißem Schnee überzogen waren. Dies war ziemlich überraschend für uns, weil in der Stadt, wo wir zuvor übernachtet hatten, weit aus über 20 Grad waren. Wir waren trotzdem ziemlich gut vorbereitet und machten uns mit einem vollen Wanderrucksack auf den Weg.
Es dauerte nicht lange bis sich der eiskalte Wind, als dauerhafter Begleiter, dazugesellte. Am Anfang störte uns dies nicht, denn die neuen Eindrücke nahmen unsere ganze Aufmerksamkeit für sich ein. Eine Landschaft mit Bergen, glasiert mit weißem Schnee, strahlte uns an, kleine Wasserquellen faszinierten uns mit ihrem klaren Wasser und der Wanderweg zeigte uns immer mehr von seiner prachtvollen Natur. Besonders die Wasserquellen bekamen wir nicht aus dem Kopf, denn sie flossen geschmeidig durch ihren Steinweg und man könnte meinen, dass die Wasserindustrie an diesem Ort ihre typische Werbung für natürliches Wasser aufgenommen hat. Uns beide packte das Bedürfnis dieses Wasser zu probieren. An einem kleinen Wasserfall wagten wir den Versuch und das eiskalte Wasser schmeckte erstaunlich gut, wahrscheinlich war es das bisher beste Wasser, was wir in Australien getrunken haben.
Am Anfang war der Weg einfach fabelhaft, wie in einem Märchen, wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, aber wie in jedem Märchen gibt es auch Schurken oder Gegner und mit der Zeit verdrängte der immer stärker werdende Wind die schönen Reize. Der Wind gab alles, um uns vom Gipfel fernzuhalten. Als erstes kam die Kälte, die wir mit mehreren Klamottenschichten bekämpften, dann pustete der Wind mit aller Kraft die er hatte und das mit Erfolg, denn wir kamen teilweise gar nicht mehr von der Stelle. Der Aufstieg wurde härter und es fühlte sich so an, als hätten sich die Beine mit Blei gefüllt. Der Aufstieg wurde seiner Erwartung mehr als gerecht, es war eine riesige Aufgabe, aber wenn wir eins nicht wollten, dann war es aufzugeben!
Nach 6 Kilometern kam uns, wie in jedem guten Märchen, ein Helfer zur Stelle, die Seaman’s Hut, eine alte Berghütte. Mit ziemlich aufgebrauchten Kräften gingen wir hinein, wo wir eine kleine Pause machten und uns die Hütte näher anschauten. Diese wurde 1928, als Folge der Todesfälle der Skifahrer W. Laurie Seaman und Evan Hayes erbaut, somit wurde eine Zufluchtsmöglichkeit für Skifahrer und Wanderer geschaffen. Die Hütte ist relativ klein und hat einen Ofen sowie Brennholz, außerdem gab es einen kleinen Blog, wo sich die Wanderer eingetragen haben, leider gab es keinen Stift und so konnten wir uns nicht verewigen. Die kleine Verschnaufpause tat sehr gut und wir fassten neue Motivation, um die letzten 3 Kilometer bis zur Spitze zu bezwingen.
Wir brachen auf und waren gespannt, welche Hürden uns noch vom Berg in den Weg gelegt werden würden. Der Wind wurde stärker, der Aufstieg steiler und unser nächster Gegner war der Schnee, für das Auge wunderschön, doch zum wandern einfach nur lästig. Wir gaben nicht auf und wichen dem Schnee so gut aus wie es nur ging. Zwischendurch schauten wir uns die immer schöner werdende Aussicht an und motivierten uns so weiter zu gehen. Uns stach, bei den Beobachtungen, roter Schnee ins Auge, der zunächst wie Sand aus der Ferne aussah. Später erfuhren wir, dass die Färbung mit den Buschbränden in Verbindung steht. Schließlich kam die schwierigste Stelle der Wanderung, quasi die größte Prüfung vor dem Schatz. Unser Weg wurde verschlungen von tiefem Schnee und es gab keine Umgehungsmöglichkeit, also hieß es durch den Schnee oder aufgeben…

Natürlich wollten wir einige Kilometer vor der Spitze nicht aufgeben und so stampften wir los. Wir schätzten ungefähr wie der Wanderweg weiter verlaufen würde. So kämpften wir uns mit jedem Schritt entlang einer steilen Schneewand hoch. Entweder der Schnee machte unter unseren Füßen einen Abgang und wir rutschten weg oder wir traten so tiefe Löcher, dass wir bis zu den Oberschenkeln im Schnee standen. Abwechselnd machten wir die Schritte und hielten uns dabei fest, so bezwangen wir die Schneemauer Stück für Stück.
Nach einer Weile fanden wir den Weg wieder und so gingen wir den letzten Kilometer auf unser großes Ziel zu. Wir waren fertig mit der Welt, doch als wir an der Spitze ankamen war die Freude größer, als die Lasten. Zusammen haben wir den größten Berg Australiens besiegt, unser Märchen war an dieser Stelle perfekt. Wir machten unser Siegerfoto und bestaunten eine der besten Aussichten, die wir je hatten. Kein Kunstwerk dieser Welt kann es mit dieser atemberaubenden Aussicht aufnehmen. Es war nicht nur die Aussicht, es war das Erlebnis, welches diesen Moment veredelt hatte. Mit diesem Sieg und der Überwindung zahlreicher Hürden kann uns nichts mehr aufhalten. Das Abenteuer gibt uns den Mut groß zu träumen. Wir haben gelernt, als Team nicht aufzugeben und unseren Weg, trotz Hürden zu gehen.
Lange konnten wir den Gipfel nicht genießen, den der Wind war dort am heftigsten. Wir setzten uns kurz hin, genossen den Augenblick und sammelten die Kräfte für weitere 9 Kilometer. Schließlich machten wir uns auf den Rückweg und wir kämpften uns erneut durch die Schneemassen. Bei diesem Durchlauf fielen wir öfters hin, das Aufstehen war schwer, doch wir motivierten uns Gegenseitig weiter zu machen. An der Berghütte legten wir erneut eine Pause ein, wo wir was gegessen haben, um uns für die letzten 6 Kilometer zu stärken.
Normalerweise erscheint einem der Rückweg kürzer, als der Hinweg, doch dieses Mal zog sich der Weg, wie ein Kaugummi. Wir redeten, wir schwiegen, wir gingen und wir pausierten, so kamen wir Stück für Stück unserem warmen Auto näher. Am Ende liefen wir auf dem Zahnfleisch, aber der Wind verließ uns langsam und der Weg wurde einfacher. Nach jedem Kilometer kam eine Ausschilderung, die beschrieb, wie viele Kilometer noch übrig blieben bis zum Ziel. In unserem Zustand übersahen wir eines der Schilder. Nach einer Weile stieg Angst, dass ein einziger Kilometer so lang sein würde, doch beim letzten Schild fiel es uns auf und der letzte Kilometer wurde mit Erleichterung bewältigt. Wir freuten uns sehr, als wir endlich am Auto waren und wir waren stolz darauf die Herausforderung gemeistert zu haben. Dieses Abenteuer endetet, doch uns war klar, dass wir uns wieder in mehr Abenteuer stürzen würden…
Zum Abschluss bleibt zu sagen, dass diese Wanderung, trotz enormer Anstrengung, einfach grandios war. Manchmal fühlte es sich wirklich, wie ein Märchenland an. Auf dem Gipfel (2228 Meter hoch) zu stehen und mit dem Körper die Anstrengung und Erleichterung zu fühlen ist ein unglaubliches Erlebnis. Wir freuen uns auf die nächsten Abenteuer…
~ Daniel