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Êxperiment — Eine Woche 10 Minuten NICHTS tun

Das Leben ist so voll, voller Ablenkun­gen, es ste­ht niemals still und vor allem die neuen Medi­en ver­mit­teln uns, dass wir vieles ver­passen, wenn wir auch nur eine Minute offline sind. Also habe ich über­legt, was ich dage­gen tun kann. Das Exper­i­ment war darauf aus­gelegt jeden Tag eine Woche lang 10 Minuten nichts zu tun. Das Handy ein­fach mal liegen zu lassen, sich sein­er Umge­bung und Gedanken bewusst wer­den. Es klingt ein­fach­er als es ist, aber defin­i­tiv zu empfehlen.

Tag 1

An Tag eins musste ich mich wirk­lich darauf ein­lassen. Ich hat­te Angst, dass ich vergessen habe den Weck­er für 10 Minuten zu stellen und hat­te ständig das Bedürf­nis nach meinem Handy zu greifen, um nachzuschauen. Ganz am Anfang war das Bedürf­nis nach dem Handy zu greifen, um die “Langeweile” zu über­brück­en, die Zeit zu füllen, sehr groß. Da geht es lediglich darum zu wider­ste­hen. Schon an Tag eins musste ich fest­stellen, dass nichts tun eine Def­i­n­i­tion­ssache ist. Es ist näm­lich nie nichts. Gedanken kom­men und gehen, wir sehen und hören Dinge. Ich wollte aber auch nicht ver­suchen zu medi­tieren, denn dies habe ich in ein­er anderen Chal­lenge bere­its getan. Ich wollte ein­fach die Langeweile ertra­gen, weil ich finde, dass wir Men­schen heutzu­tage genau das ver­lernt haben, also wollte ich wis­sen, was passiert.

 

Tag 2

10 Minuten nicht tun kommt dir länger vor, als es eigentlich ist. Es sind und bleiben 10 Minuten, du bist dir nur deut­lich bewusster über diese 10 Minuten, als wenn du dich ablenkst. Dieses Mal habe ich direkt am Anfang bewusst gecheckt, ob der Timer läuft und musste mir so deut­lich weniger Gedanken darüber machen. Es fiel mir schw­er still sitzen zu bleiben, also habe ich ange­fan­gen an meinen Fin­gernägeln zu knibbeln. Nor­maler­weise passiert mir das nur, wenn ich gestresst oder nervös bin, also sel­ten. Es war erstaunlich, dass Langeweile eben dieses Phänomen her­vor­bringt. Ich habe es sofort gelassen, als es mir bewusst wurde.

Par­al­lel zu dieser Chal­lenge habe ich eine Weit­ere gemacht. Ich wollte 30 Tage Tage­buch schreiben. Ich habe die 10 Minuten nichts tun vor dem Tage­buch schreiben gemacht und mich dementsprechend gefragt, wie es wäre, es ander­sherum zu machen. Ich habe ver­sucht mir Gedanken zu merken, um sie später in mein Tage­buch zu schreiben.

Mir ist zudem aufge­fall­en, dass ich Geräusche viel deut­lich­er wahrnehme, dass ich viele (sehr viele) Gedanken habe, denen ich son­st keine Beach­tung oder Zeit widme. Men­schen lenken ab, von der Chal­lenge, von eige­nen Gedanken. Ein gutes Gespräch kann wertvoll sein, aber Smalltalk kann genau­so eine Ablenkung sein, wie dein Handy. Es ist eine Grad­wan­derung auf der die Men­schheit sich befindet.

Ich für mich habe beschlossen, dass mein nichts tun eher ein beobacht­en ist, meine Umge­bung wahrnehmen, als ein wirk­lich­es nichts tun. Ich habe meine Chal­lenge fast immer draußen absolviert, da es mir wenig sin­nvoll erscheint eine graue Wand dabei anzus­tar­ren und es nur zu der all­ge­meinen Müdigkeit beiträgt. Die Müdigkeit ist durch meine 12 Stun­den Schicht­en, inklu­sive Nachtschicht, bedingt.

 

Tag 3

Heute habe ich es drin­nen gemacht und wäre tat­säch­lich fast eingeschlafen. Es lief weniger gut. Ich kon­nte nicht still sitzen, hat­te viele Gedanken, meine Konzen­tra­tion war eher mäßig. Die let­zten bei­den Tage war es irgend­wie angenehm, aber heute gar nicht. Es war sehr schwierig. Irgend­wann habe ich vergessen, dass ich meine 10 Minuten nichts tun Chal­lenge mache und auf mein Handy geguckt, wo mir mein Timer mit­teilte, dass ich noch fünf Sekun­den übrig hat­te. Das hat mich sehr geärgert.

 

Tag 4

Zehn Minuten sind nicht so lang, aber in diesem Exper­i­ment ziehen sie sich unglaublich lange. Kurz vor dem Ende bin ich immer dazu geneigt auf mein Handy zu schauen, um die Zeit zu check­en. Ich muss mich regel­recht davon abhal­ten es zu tun. Dass es kurz vor dem Ende ist weiß ich, weil nicht lange danach der Weck­er klingelt.

Meine Erken­nt­nisse an Tag vier waren, dass es draußen unglaublich viel bess­er ist als drin­nen und dass unsere Welt niemals ganz leise ist. Unsere Smart­phones sind darauf aus­gelegt unsere Aufmerk­samkeit zu erre­gen und die Inhalte darauf unsere Aufmerk­samkeit zu binden. Ich wusste dies, allerd­ings ist es mir jet­zt das erste Mal richtig bewusst gewor­den. Ich denke viel nach in diesen 10 Minuten. Wenn ich nicht nach­denke, ver­suche ich mein eigenes Dasein zu genießen.

 

Tag 5

Heute war es das erste Mal wirk­lich angenehm, ohne dass ich das Bedürf­nis hat­te auf die Zeit zu acht­en. Ich habe mich vorher schon auf diese 10 Minuten, die ganz mir selb­st gehören, gefreut. Vielle­icht hil­ft dieses Exper­i­ment mit mein­er Panik, dass ich nicht mehrfach check­en muss, ob die Zeit passt oder der Bus doch schon weg sein kön­nte, obwohl ich über­pünk­tlich da war. Das wäre eine echte Erleichterung.

 

Tag 6

Es ist von ein­er Zeit, die mich nervös gemacht hat zu ein­er Zeit gewor­den, die ich genießen kann, denn ich weiß, dass der Weck­er klin­gelt. Selb­st fall dieser ein­mal nicht klin­geln sollte, was ist das Schlimm­ste, was passieren kann? Ich denke länger nach oder komme verse­hentlich zu spät aus mein­er Pause zurück zur Arbeit. Dann entschuldige ich mich und gut ist es.

Beim Nach­denken schaue ich mir immer gerne einen bes­timmten Baum an. Dieser wird nachts so schön beleuchtet, sieht aber auch tagsüber schön aus. Dieser Anblick wirkt beruhi­gend und hil­ft mir mich zu fokussieren.

 

Tag 7

Ich habe es geschafft!!!

Manch­mal lasse ich mich gerne unter­hal­ten, aber Videos lenken immer ab, auch wenn sie nur neben­bei laufen. Zur Erk­lärung: Draußen auf der Arbeit lief der Fernse­her und es hat mich tat­säch­lich gestört, weil er mich abge­lenkt hat, obwohl ich ver­sucht habe ihn zu ignori­eren. Men­schen lenken auch ab, vor allem während der Tagschicht wurde ich mehrfach während mein­er zehn Minuten ange­sprochen. Für mich habe ich daraus geschlossen, dass ich nicht immer beschäftigt ausse­hen muss, son­dern dass es auch okay ist nichts zu tun. Die Men­schen sind ver­mut­lich ein­fach nicht mehr daran gewöh­nt, dass jemand nichts tut.

 

Fazit

10 Minuten nichts tun ist ein Exper­i­ment, dass einen erstaunlichen und nicht erwarteten Ein­fluss auf mich genom­men hat. Ich habe einiges Neues gel­ernt, über mich, über die Gesellschaft. Jet­zt geht es darum dies sin­nvoll anzuwen­den und zu meinem Vorteil zu nutzen. Ich werde ver­mut­lich nicht jeden Tag 10 Minuten nichts tun, aber hof­fentlich regelmäßig. Ich habe gute Erfahrun­gen gemacht und inner­halb des Exper­i­ments einige Dinge verän­dert, wenn es mir sin­nvoll erschien, wie den Ort, die Tages-/Nachtzeit. Generell hat­te ich nachts deut­lich mehr Ruhe. Pro­biere es doch ein­fach mal aus, was soll schon schief gehen?

 

~ Jen­ny

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