Da durch den Coronavirus eine Weiterreise nicht möglich war entschlossen wir uns dazu zu arbeiten und bekamen letztendlich einen Job auf einer Milchfarm, der für das zweite Visum zählt. In Australien ist es nämlich so, dass man während seines ersten Visums 88 Tage Farmarbeit geleistet haben muss, um ein zweites beantragen zu können.
Wir hatten Glück, lehnten wir beim ersten Mal das Angebot auf der Milchfarm zu arbeiten noch ab, da wir gerade zu dem Zeitpunkt auf der Avocadofarm arbeiteten, hießen wir ihn beim zweiten Mal herzlich willkommen. Das Angebot war wirklich gut. Wir bekamen eine freie Unterkunft zur Verfügung gestellt und sollten mindestens drei Monate arbeiten. Das kam uns sehr entgegen. Nach einer kurzen Besichtigung packten wir unsere sieben Sachen und los ging es.
Die Unterkunft
Es steht ein Haus, genannt Hotel California, zur Verfügung in dem nur die Backpacker, die hier arbeiten, wohnen. Zwei Personen teilen sich jeweils ein Zimmer und zwei Zimmer ein Bad. Wir wohnen jedoch in dem einige Meter weiter stehenden Container. Dieser besitzt auch noch einmal drei Zimmer und eine kleine Küche. Die kleine Küche wird jedoch nur sporadisch genutzt, da es sich besser in der größeren und besser ausgestatteten Hausküche kochen lässt. Im Haus befindet sich zudem noch der Aufenthaltsraum und die Waschküche. Wir mögen den Container, weil es viel ruhiger ist als im Haus und hier drin nicht geraucht wird. Zudem haben wir unser eigenes Badezimmer.
Die Menschen
Am Anfang waren wir hier 13 Personen, jetzt sind wir noch zehn, neun davon arbeiten auf der Farm. Alles Paare, ein Ehepaar und zwei Brüder. Da zwei Zimmer frei sind bewohnen die Brüder je ein eigenes Zimmer. Die Menschen sind alle wirklich nett, aber bekanntlich kann man mit einigen besser und mit anderen schlechter. Es zeigen sich auch Unterschiede in der Arbeitseinstellung… Alle hier sind Europäer, außer die beiden Brüder, die kommen aus Chile. Zudem sind wir nicht die einzigen Deutschen, das andere Pärchen wohnt genau wie wir auch im Container.
Dann ist da noch unsere Chefin, die mit ihrem Sohn ein weiteres Haus auf der Farm bewohnt. Ein älterer Mitarbeiter wohnt in einem anderen Haus ebenfalls auf der Farm.
Die Arbeit
Hier auf der Farm gibt es wirklich viel zu tun. Es wird jeden Tag gearbeitet, aber darauf geachtet, dass jeder zwei Tage in der Woche frei hat. Schließlich müssen wir auch irgendwann einkaufen fahren, alles ist mindestens eine Stunde von der Farm entfernt und es gibt noch nicht einmal Trinkwasser hier. Planung ist alles.
Das Melken
Es gibt eine Frühschicht, die um 3:45 Uhr morgens beginnt. Die Nachmittagsschicht beginnt um 13:45 Uhr. Morgens werden alle Herden gemolken, nachmittags nur zwei. Morgens beginnt man damit die Maschine fertig zu machen und melkt dann zwei Herden. Die ersten zwei Herden sind die, deren Milch verkauft wird, dabei handelt es sich um die Milch von circa 850 Kühen. Die höchste Literanzahl, die eine einzige Kuh gegeben hat und die ich gesehen habe, betrug 65,8 Liter. Eine ganze Menge, das hätte ich so nicht erwartet. Die meisten Kühe geben jedoch zwischen sieben und zwanzig Liter Milch.
Danach kommen die kranken Kühe an die Reihe, das sind die Kühe, die Medikamente bekommen oder frisch Mutter geworden sind. Die Milch von ihnen bekommen die Kälber. Dabei ist zu erwähnen, dass darauf geachtet wird, dass einige Kühe auf keinen Fall gemolken werden dürfen. Die Kühe, die Medikamente bekommen, bekommen diese auf der Plattform am Ende ihres Melkvorganges. In regelmäßigen Abständen werden die Kühe getestet, ob sie wieder qualitativ hochwertige Milch geben, wenn ja, dann dürfen sie in die zweite Herde.
Auf die kranken Kühe folgen die Springer. Diese bekommen in den nächsten zwei Wochen ihre Kälber. Momentan haben wir keine mehr. Aber vorher kamen sie und bekam auf der Melkplattform ihr Futter, wie alle andern Kühe auch. Sie bekamen nur spezielles Futter. Während sie fressen überprüfen wir, welche von ihnen seit dem Vortag gekalbt hat. Diese Kuh wird in einen Eimer gemolken, da die Muttermilch sehr wertvoll für die frischgeborenen Kälber ist. Sie sieht auch ganz anders aus als normale Milch. Ich finde sie sieht aus wie geschmolzenes Vanilleeis. Manchmal ist sie auch mit Blut versetzt.
Als letztes kommen die Heifers, das sind die Jungkühe, die zum ersten Mal schwanger sind. Sie sind etwa zwei Jahre alt und sollen an die Plattform gewöhnt werden, da sie, wenn sie gekalbt haben, zu den kranken Kühen kommen und normal mitgemolken werden. Auch dort wird die Probe gemacht, ob frische Mütter vorhanden sind. Diese Kühe zu melken ist wirklich kein Spaß…
Allgemein gibt es noch verschiedene Dinge zu beachten. Kühe, bei denen das System sagt, dass sie nicht gemolken werden dürfen und lahmende Kühe werden separiert, um sie später zu der Herde mit den kranken Kühen zu bringen.
Wenn eine Kuh an ihrem Hinterbein blau angesprüht ist, dann dürfen wir die hintere Zitze auf der jeweiligen Seite nicht melken. Das liegt daran, dass die Milch aus dieser Zitze qualitativ schlechter ist oder dass die Zitze zu wenig Milch gibt. Orangene Farbe am Hinterbein heißt das Gleich nur für die vordere Zitze der jeweiligen Seite.
Ein C oder C+ an der rechten Seite des Hinterteils der Kuh bedeutet, dass die Kuh vor dem Melken eingecremt werden muss, da sie Zitzen rissig oder gereizt sind. Das kommt aber nur bei fünf bis sechs Kühen vor und wir haben nur eine C+ Kuh. Diese Kühe sind leider oft sehr empfindlich und finden es gar nicht gut gemolken zu werden, dementsprechend treten sie gerne mal.
Die zwei Positionen, die wir beim Melken besetzen sind die am Anfang und am Ende. Am Anfang werden die Kühe an die Melkmaschine angeschlossen und gegebenenfalls angesprüht und/oder eingecremt. Am Ende muss man die Melkteile wieder aufhängen, die Schläuche wieder einstecken (die Kühe reißen sie gerne mal ab), die Zitzen werden mit, ich glaube, Jod desinfiziert und man muss darauf achten, dass die Kühe die Plattform verlassen. Einige weigern sich, da es dort Futter gibt. Zudem betätigt man den elektrisch angetriebene Zaun von Zeit zu Zeit, damit er die Kühe Richtung der Plattform scheucht.
Anschließend an das ganze Prozedere machen wir alles sauber und putzen noch circa eine Stunde.
Die anderen Positionen
Neben dem Melken gibt es noch einige andere Positionen. Der Drover ist derjenige, der die Kühe von den Weiden holt und zur Plattform treibt. Nachdem sie gemolken wurden ist auch er derjenige, der sie wieder zurück bringt. Außerdem sammelt er die frisch geborenen Kälber ein und bringt sie zum Stall.
Eine Person bedient den Trecker. Diese bringt Heuballen zu den einzelnen Weiden und muss nicht selten steckengebliebene Fahrzeuge von den Weiden abschleppen. Der Treckerfahrer macht noch andere Dinge, die mir bisher niemand erklärt hat.
Eine Person ist den ganzen Tag damit beschäftigt Dinge, die kaputt gegangen sind (meistens Zäune) zu reparieren.
Eine weitere Person kümmert sich um die Kälber, die Frischen und die etwas Älteren. Sie bekommen die Muttermilch beziehungsweise die Milch von den kranken Kühen.
Zusätzlich hilft eine Person an einem Tag der Woche im Büro aus.
Der ältere Mitarbeiter ist Mechaniker und sorgt dafür, dass die Fahrzeuge, die ich nur noch als Schrott bezeichnen würde, funktionstüchtig bleiben. Wir brauchen sie, um von unserer Unterkunft zur Lagerhalle zu kommen. Ich schätze den Weg dorthin auf etwa einen bis 1,5 Kilometer ein. Weiterhin verwenden wir sie auch, um die Kühe von der Weide zur Plattform und wieder zurück zu treiben und den Müll wegzubringen.
Wir
Daniel und ich haben bis jetzt nur das Melken gelernt, wir hoffen in Zukunft mehr lernen zu können. Es ist angenehm in einer überdachten Lagerhalle arbeiten zu können, da es hier im australischen Winter sehr viel regnet und auch oft schüttet wie aus Eimern, aber es ist doch sehr eintönig. Deshalb hören viele Musik oder wie ich Hörbücher während der Arbeit.
Uns gefällt es hier, wir verdienen gut und haben nicht viele Möglichkeiten unser Geld auszugeben. Meistens arbeiten wir nur in unterschiedlichen Schichten, so dass wir uns nicht so viel sehen. Wir arbeiten, bis alles fertig ist, dementsprechend variieren die Endzeiten der Arbeit. Mal haben wir 2,5 Stunden Mittagspause, manchmal nur eine Halbe. Momentan arbeiten wir aber oft nur den halben Tag.
Kaum zu glauben, aber wahr, man gewöhnt sich an den Geruch von Kuhausscheidungen. Es ist trotzdem jedes Mal wieder unangenehm, wenn eine Kuh neben einem etwas ausscheidet … oder auf einen… Hier geht schon der Witz rum, dass wir alle stinken, es nur keiner mehr riecht, wenn wir aber in die Stadt fahren, dass alle anderen es riechen … Manchmal habe ich das Gefühl es stimmt, aber das ist wahrscheinlich nur Einbildung.
Hier auf der Farm gibt es noch ein Pferd und Schafe, momentan auch Lämmchen. Zusätzlich besitzt unsere Chefin Hühner und drei Hunde, von denen uns zwei immer mal wieder Besuche abstatten. Einer davon ist ein Jackrusselterrier namens JackJack. Wir haben ihn sofort in unser Herz geschlossen. Er springt auch sehr aufdringlich vom Boden einfach auf den Schoss einer Person, die auf einem Küchenstuhl sitzt. Er erinnert uns ein bisschen an Daniels Hund Alice. Es laufen frei noch etwa fünf oder sechs Katzen durch die Gegend.
~ Jenny