Die Schlangenwanderung begann ganz harmlos. Eigentlich sollte es nur ein ganz kurzer Wanderweg sein. Erst etwa zwei Minuten vom Parkplatz des Otway Nationalparks zum oberen Lookout der Erskine Falls. Dort konnten wir den 30 Meter in die Tiefe stürzenden Wasserfall sehen. Unser erster Wasserfall in Australien, der nicht ausgetrocknet war! Danach sollte es an das untere Ende des Wasserfalls gehen. Eine Treppe führte dorthin, auch diese Strecke war nicht wirklich weit. Also gingen wir mit Turnschuhen, Kamera und Stativ hinunter. Gesagt, getan! Wir bewunderten den Ausblick und machten lustige und schöne Fotos. Danach wollten wir eigentlich noch einen anderen Wanderweg gehen, aber es kam alles anders…
Wir entdeckten einen Weg auf der anderen Seite des Wasserfalls und folgten ihm ein Stückchen. Auf diesem Stück kamen uns immer wieder Menschen entgegen, also dachten wir uns nichts dabei und liefen weiter. Nach einigen Kilometern, die uns nicht ganz so weit vorgekommen waren, weil es immer wieder neue schöne Orte zu bestaunen gab und man ständig den Fluss überqueren musste, was mal leichter und mal schwerer war, dachten wir, dass wir uns auf dem normalen Wanderweg befanden. Also liefen wir weiter.
Das ging immer so weiter, wir machten schon Scherze, dass wir auf dem falschen Weg waren und besser umkehren sollten. Zwischendurch war der Wanderweg auch nicht mehr so gut erhalten, dass man sich selbst einen Weg suchen musste. Wir liefen zwischendurch auch immer wieder mal durch Spinnenweben, die sich quer über den Weg spannten. Das klingt jetzt alles reichlich dumm, aber wir waren so naiv und dachten uns nichts dabei. Auch nicht, als uns nach Stunden schon lange keine Menschen mehr entgegen kamen. Immerhin war der Wanderweg an den Stellen, wo man den Fluss überqueren musste ausgeschildert.
Die Zeit schritt immer weiter voran, so dass wir später Google Maps zurate zogen, da wir am Abend noch die Kanutour mit den Schnabeltieren gebucht hatten. Dabei stellten wir fest, dass wir nur noch wenige Kilometer von der nächsten Stadt entfernt waren… Die Panik wurde groß. Wir versuchten irgendwie zu der Straße, die Google Maps anzeigte durchzukommen, aber der Wanderweg bog nicht auf diese ab. Zu allem Übel stolperte ich auch noch und rammte mir dabei einen Stock sehr fest in die Kniekehle. Das tat so weh, dass ich mir mitten im Wald die Hose runter zog und Daniel nachschauen musste. Nachdem eine blutende Wunde festgestellt worden war ging es weiter. Wir hatten beide den Kaffee auf und Angst, dass wir zu spät zu unserer Kanutour kommen würden…
Wir liefen also den ganzen Weg wieder zurück, es war schon Nachmittag geworden und immer noch ziemlich warm. Außerdem befanden wir uns mitten in einem Wald, durch den wie wir im Nachhinein festgestellt hatten (ihr erinnert euch vermutlich an die netten Spinnenweben, die immer wieder unseren Weg gekreuzt hatten…), nicht wirklich viel benutzt wurde. Dementsprechend vorprogrammiert war es dann auch, dass wir früher oder später eine Begegnung mit einer Schlange haben würden. So wurde dies zu dem Tag, an dem wir das erste Mal (wilde) Schlangen in Australien sahen.
Kleiner Einschub: Wir hatten auch schon Witze darüber gemacht, dass wir nach so langer Zeit immer noch keine Schlangen in Australien gesehen hatten, dass wir schon glaubten keine mehr zu sehen und unverrichteter Dinge in Sachen Schlangen wieder nach Deutschland abziehen zu müssen. Ich wünschte es wäre so gewesen… Allerdings nimmt man eine Gefahr erst wirklich ernst, wenn sich unmittelbar ist…
Wir liefen also zurück. Daniel lief vorneweg und ich etwa zwei Schritte hinter ihm. Plötzlich hörte ich so ein zischeln, wandte mich nach links und sah gerade noch den letzten Rest einer grauen oder schwarzen Schlange unter einem Busch verschwinden. Das Ganze alarmierte mich. Natürlich war ich erstmal stehen geblieben. Jetzt legte ich einen Gang zu um wieder zu Daniel aufschließen zu können. Ich rief ihm zu, dass er stehen bleiben soll. Das tat er, ich schloss zu ihm auf und erzählt ihm, was ich eben gesehen hatte. Das vermieste uns etwas die Laune. Daniel wies daraufhin, dass wir häufig stampfen sollten, das würde die Schlangen vertreiben, da sie die Vibration spüren und Begegnungen mit Menschen in der Regel vermeiden. (Das ist alles nur unser eigenes Halbwissen und gilt vermutlich nicht für alle Schlangen, da es auch aggressive Schlangen gibt, also bitte mit Vorsicht genießen.)
Wir wollten uns also wieder auf den Weg machen, wir wollten ja schließlich trotzdem noch unsere Kanutour erreichen. Daniel vorne stampfte also und schrie dann plötzlich voller Angst. Was war passiert? Etwa einen Meter vor ihm hatte links an der Felswand eine Schlange gelegen, die wir nicht gesehen hatten und war alarmiert von Daniels Stampfen quer über den Weg nach rechts den Abhang hinunter abgehauen und das mit einem Affenzahn!!! Ich hatte nichts davon gesehen, sondern nur Daniels Schreien (oder wie er es nennt: sein Warnsignal) gehört. Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten übernahm ich die Führung der Schlangenwanderung. Wir kamen nun noch langsamer voran, da ich bei jedem Schritt stampfte, um ja weitere Begegnungen zu vermeiden. Das Stampfen war jedoch sehr kraftraubend, so dass wir immer wieder wechselten.
Als ich dann mal wieder dran war mit führen begegnete uns die nächste Schlange. Ich sah sie aus etwas mehr als einem Meter Entfernung am rechten Wegrand liegen. Sie war kleiner und dünner als die, die ich vorher gesehen hatte. Sie war gelb und dunkel gestreift. Ich kann mich jetzt nur noch wage daran erinneren, als hätte mein Gehirn es verblassen lassen, weil ich unter zu großer Angst oder unter viel Stress gelitten hatte. Auch weiß ich nicht mehr genau, was die Schlange gemacht hat. Ich bin nach kurzem Überlegen einfach schnell mit zwei großen Schritten dran vorbei gelaufen. Dann musste ich irgendwie noch Daniel ermutigen das Gleiche zu tun. Er schien mehr über die Folgen nachgedacht zu haben als ich, aber uns blieb keine Wahl, einen anderen Weg gab es schließlich nicht, auch wenn wir ihn uns gewünscht hatten. Daniel konnte sich letztendlich dazu überwinden.
Den Rest der Schlangenwanderung hasteten wir stampfend und immer laute Geräusche von uns gebend zurück und hatten es dann letztendlich geschafft. Wir schafften es auch pünktlich zum Treffpunkt für die Kanutour. Dieser Gang hatte alle Energiereserven aufgebraucht. Wir aßen noch schnell etwas und versuchten wieder mit unserem Leben klar zu kommen. Wir haben definitiv aus der Sache gelernt! Einhalten tun wir immer noch nicht alles, aber wir achten auf jeden Fall darauf, dass die Wanderwege nicht unbenutzt aussehen und uns am liebsten auch noch regelmäßig Menschen entgegen kommen.
Ein kleiner Funfact am Ende: Die Wunde, die ich mir mit dem Stock zugezogen hatte war etwas tiefer als gedacht, hatte aber von alleine aufgehört zu bluten. Das Lustige ist, dass die Hose an besagter Stelle heile geblieben war…
~ Jenny